Kontakt mit dem weiblichen Geschlecht
Teil III
Am nächsten Tag bin ich allein an den damaligen Nackt-Strand gegangen. Ich habe nichts mitgenommen: kein Geld, keine Badehose, kein Handtuch. Nur meine Sporthose, ein T-Shirt und Sandalen. Nach dem Schwimmen wollte ich mich durch Hin-und-Herlaufen am Strand trocknen. Nicht, weil ich sonst gefroren hätte, sondern weil der Sand beim Hinliegen auf trockener Haut nicht so stark haften bleibt. Dabei muss mich ein 15-jähriges Mädchen beobachtet haben. Als ich trocken war, habe ich sie am Strand liegend entdeckt und mich genähert. Sie sagte „Himmel“. Ich fragte, „Hallo, darf ich mich zu dir legen?“ und sie sagte ja. Woher ich wisse, dass sie Deutsche sei. „Na, wegen ‚Himmel’!“
Hanna war 15, aus Börßum, einem Dorf nahe Braunschweig in Niedersachsen. Sie hatte Pferde und wollte Medizin studieren, wie ihr Bruder. Ein blau-weiß-gestreiftes Bikinihöschen hatte Hanna an. Obenrum war sie nackt. Der Strand hatte keine Regeln. Nackt, Textil, halbnackt, alles war o.k..
Als die Flut kam, wichen wir zunächst zurück, doch dann wollte sie den Strand verlassen und wir verzogen uns (wieder bekleidet) oben auf die Klippe und schauten aufs Meer hinaus. Falls sie doch nicht Medizin studieren könnte, würde sie in Australien eine Pferdezucht aufmachen. Sie ist übrigens tatsächlich Ärztin geworden, obwohl sie kein gutes Abi hatte. Wir küssten uns und schmusten. Dabei ließ ich das Gebiet im Bikinihöschen aus – weil das a) Verführung Minderjähriger gewesen wäre und b) ich nicht wollte, dass der anhaftende Sand „ins Getriebe“ kommt und c) ich damit keine Erfahrung hatte. (Anm.: Ein gewisser Marco W. hatte viele Jahre später mit einem minderjährigen englischen Mädchen in einem türkischen Urlaubs-Resort wohl weniger Skrupel und saß dafür einige Monate im Knast.)
Leider musste Hanna am nächsten Tag mit ihrem Bruder und der Clique die Heimreise antreten. Von Lissabon mit dem Flugzeug. Wir verabschiedeten uns und sie lief in Richtung Campingplatz davon, ohne sich umzudrehen. Das weiß ich deshalb, weil ich selbst mich umgedreht habe.
Zurück im Zimmer hatte ich Karl viel zu erzählen. Durch das unbedachte Schmusen in der vollen Sonne hatte ich inzwischen ebenfalls einen Sonnenbrand, wie mein Freund auch. Und wir beschlossen, der Sonne auszuweichen und nach Schottland zu fahren. Unterwegs wollte ich das Mädchen nochmals am Flughafen in Lissabon sehen und mir ihre Adresse besorgen. Auch dafür möchte ich mich bei meinem Freund Karl nochmals bedanken, dass er “den Scheiß“ mitgemacht hat, inklusive Taxifahrt zum Flughafen. Und ich habe Hanna tatsächlich getroffen und nochmals geknutscht. Wir haben uns dann einige Jahre noch Briefe geschrieben.
Nach Schottland wegen Sonnenbrands
Die Fahrt im Zug von der sehr schönen Hauptstadt Lissabon, die wir nur im Schnelldurchlauf “streiften”, die Atlantikküste hinauf bis zur Fähre nach England verlief unspektakulär. Aufgrund unserer Erfahrung im Expreso von Barcelona nach Sevilla hatten wir genug Essen und vor allem Trinken dabei.
Bei der Fähre hatten wir den Eindruck, dass das Ablegen und Anlegen insgesamt länger gedauert hatte, als die Überfahrt selber.
Wir kamen schließlich nach London,
wo wir im Hotel 101 nahe des Hydeparks ein Zimmer nahmen. Wir haben uns von den Gerüchten über das schreckliche britische Essen beeinflussen lassen und aßen nur bei McDonald’s oder in Wimpy Bars und bestellten bei Selbstbedienungs-Italienern an der Theke „Spaghetti without cheese“. (Im Nachhinein kann ich mutmaßen, dass der deftige Geschmack des britischen Cheddar-Käses wohl der Grund für unsere Ablehnung des Reibekäses gewesen war.)
In Erinnerung geblieben ist mir das Museum of Natural History, wo ich gelernt habe, dass Vögel als Besonderheit ein „wishbone“ haben, das Gabelbein. Beim Hühnchenessen ziehen zwei daran, und wer das längere Stück hat, wenn es bricht, darf sich etwas wünschen. Wissen und Aberglaube – vermittelt im Museum…
Kontakt mit dem weiblichen Geschlecht
Teil IV – Schottland und Sparsamkeit
Als ich mir an einer Londoner Schaufensterscheibe die Haare zurecht machte, sagte eine junge Engländerin. „You don’t have to do that. You look good anyway.“ Leider war ich nicht schlagfertig genug, mit dem Kompliment angemessen umzugehen.
Da wir nach Schottland wollten, nahmen wir den Zug nach Edinburgh. Wir besuchten natürlich die Burg und erkundeten auch etwas die Umgebung, wobei wir von einem heftigen Regenschauer überrascht wurden. Ich wollte mit meinem Schul-Englisch angeben und fragte einen Einheimischen, „Do you call that ‘raining cats and dogs’?” Doch der sagte nur ganz trocken: „No, we call that summer.“
Die berühmte schottische Sparsamkeit lernten wir auf zweierlei Weise kennen. Der Zimmervermieter hatte im Bad ein Schild angebracht, dass man möglichst nicht baden solle. Weil ihn warmes Wasser viel Geld kosten würde. Das beeindruckte uns Schwaben und wir gingen dafür ins städtische Hallenbad, wo es übrigens auch gutes und preiswertes Essen gab. Die Duschen waren allerdings nicht verstellbar und das Wasser war dermaßen heiß, dass es Dauerduscher schwer hatten. Eine irgendwie clevere, unverfängliche Art des Sparens…
Am Folgetag begaben wir uns auf eine ca. 4-stündige Bahnfahrt nach Inverness, in der Nähe der Highlands, einschließlich “obligatorischem” Besuch eines Touristen-Spektakels dort („The Kilt is our Delight“). Ohne ein Zimmer zu nehmen fuhren wir mit dem Nachtzug wieder zurück nach Edinburgh, wo in der Fußgängerzone ein Folk-Festival im Gange war. Beim Warten auf den Zug nach London hat jemand in der Bahnhofscafeteria immer wieder das Lied „My Sharuna“ von der Gruppe The Knack in der Musikbox gedrückt, so dass meine ohnehin schon vorhandene Abneigung gegenüber diesem abgehackten Lied jetzt noch größer wurde. Zur Verteidigung habe ich zwischendurch „Sounds of Silence“ von Simon & Garfunkel „gekauft“.
Kontakt mit dem weiblichen Geschlecht
Teil V – framed by British Rail
Ich hatte die Adresse einer ehemaligen Brieffreundin dabei, die ich noch aus der Schulzeit von einem Brieffreundschafts-Vermittler hatte. Social media gab es ja noch nicht. Kathleen wohnte in North Walsham bei Norwich. Von London aus wollten wir da mal hinfahren. Ich versuchte immer wieder, aus einer Londoner Telefonzelle anzurufen, aber jedes Mal brach das Gespräch ab, bevor ich etwas sagen konnte, da die Münzen nicht hineinrollen wollten.
Irgendwie habe ich es dann aber doch geschafft und eine Verabredung hinbekommen. Wir fuhren also nach Norwich, mieteten ein Zimmer und wollten dann nach North Walsham weiterfahren. Als wir auf dem Bahnsteig waren, stiegen wir etwa in der Mitte des Zuges ein. Wir fanden es zwar etwas merkwürdig, dass ein Lokführer mitten im Zug saß. Aber, man hatte ja allerhand Schrulliges von den Engländern gehört, wie zum Beispiel, dass auch in E-Loks ein Heizer mitfährt. Obwohl er nichts zu tun hat. Dieser Lokführer aber hatte etwas zu tun, denn pünktlich zur Abfahrtszeit setzte sich der Zugteil vor unserem Waggon in Bewegung…
Wir stiegen aus, da wir jetzt verstanden, dass unser Triebwagen ein anderes Fahrtziel haben musste, und nahmen eben den Nächsten. Die Familie saß schon beim Essen, als wir endlich ankamen, und wir wurden mit den Worten „You must have smelled the food!“ begrüßt. Leider blieb vor dem letzen Zug zurück nur wenig Zeit für Gespräche und gar keine, um den dortigen Strand zu besichtigen. Bei dem Essen, das wir gerochen haben sollen, hat es sich übrigens um Irish Stew gehandelt und das war wirklich gut! Möglicherweise war unsere Pauschalverurteilung des britischen Essens doch zu voreilig gewesen…
Auch vier Wochen Interrail
gehen einmal zu Ende
Die Reise zurück nach Deutschland verlief wieder ohne besondere Vorkommnisse. Zuhause angekommen, hatten wir einen Haufen dreckiger Wäsche, mehrere Filme mit Dias und jede Menge Eindrücke mitgebracht. Einen Teil davon habe ich in dieser Geschichte verarbeitet.
Namen wurden aus Persönlichkeitsgründen geändert.
Zum ersten Teil der Interrail-Reise-Geschichte von 1979 geht’s hier:
Hier geht’s zum Blogbericht der Interrail-Reise 1980:
2016: Interrail Global Pass gilt jetzt auch in D bis zur und von der Grenze.
EU hat 15.000 Interrail-Tickets für 18-Jährige verlost.
Für junge Leute, die zwischen dem 2. Juli 1999 und dem 1. Juli 2000 geboren wurden.
Kommentar zur Ticketverlosung Tagesschau
Mit dem Kommentar von Kathrin Wesolowski, ARD-Studio Brüssel, bin ich nicht einverstanden.
Ich finde, die Jugendlichen von Fernreisen mit Billigfliegern abzuhalten, ist ein löblicher Ansatz. In der Bahn kann man viel eher mit Einheimischen auf dem ganzen Weg ins Ziel-Land in Kontakt kommen.
Dass nicht alle der glücklichen Gewinner das auch tun werden, ist klar, aber kein Grund, die Aktion schlechtzureden. Wenn es bei den 15.000 Tickets bleibt, dürfte es sich um einen Betrag von sechs Millionen Euro direkter Kosten handeln. Ich denke, dass die EU für Besuche von Bürgerinnen in den EU-Parlaments-Räumen in Straßburg und Brüssel (150 € pro Zuschuss Person, so viel ich weiß) viel mehr Geld verbrät. Und das Jahr für Jahr.
Kommentar hinterlassen